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Schuften für Shein

Wo die Billigmode der Generation TikTok genäht wird

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Mit einer riesigen Palette an unverschämt günstigen Artikeln und offensivem Auftritt in sozialen Netzwerken läuft der Onlinekleiderhändler Shein Branchengrössen wie H&M und Zara in der Gunst um Geld und Gefühle junger Frauen den Rang ab. So grell die Marke auftritt, so undurchsichtig bleibt die Firma dahinter. Eine Spurensuche – bis in die verwinkelten Gassen der chinesischen Millionenstadt Guangzhou, wo Tausende von Arbeiter*innen bis zu zwölf Stunden am Tag den Stoff vernähen, aus dem die Teenie-Träume sind



Zurück in die Zukunft

«She»-wer? Das war meine Reaktion, als ich zum ersten Mal von einer Kleidermarke namens «Shein» hörte. Während weltweit Millionen Teenager ihr Taschengeld für Berge spottbilliger Shein-Teile verprassen, ist der chinesische Onlinehändler vielen über Dreissigjährigen wohl bis heute kein Begriff.

Als ich dann einmal in diesen Kosmos eingetaucht war, verstand ich rasch, wieso man dort immer wieder auf Bekenntnisse meist sehr junger Frauen stösst, sie seien «addicted to Shein». Süchtig nach der Riesenauswahl an Kleidern, nach den Anprobiervideos auf Tiktok, nach der Verschmelzung von Mode, Musik und Lebensgefühl in einer digitalen Traumwelt.

Einerseits wirkt Shein wie ein Unternehmen aus der Zukunft: Das Artikeldesign beruht auf Algorithmen, die mit Daten unzähliger Websites gefüttert werden, ein dichtes Netz an Zulieferern sorgt für ultrakurze Produktionszyklen, das Angebot ist hauteng zugeschnitten auf das individuelle Klickverhalten. Und gleichzeitig mutet Shein wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten an: Wegwerfware zu Tiefstpreisen, kaum Informationen zur Herstellung, keine Reaktion auf Medienanfragen – als hätte es nie Diskussionen gegeben um Nachhaltigkeit oder Lieferkettentransparenz.

Da hilft nur noch die investigative Recherche. Der chinesische Überwachungsapparat bringt es allerdings mit sich, dass die zwei Rechercheurinnen und der Fotograf, die für uns in der Metropole Guangzhou unterwegs waren, anonym bleiben müssen. Insbeson- dere ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass wir erstmals von Näher*innen erfahren, was es heisst, für Shein zu schuften: über 75 Arbeitsstunden pro Woche, kein Arbeitsvertrag, keine Sozialleistungen. Dass die Zulieferer damit gegen chinesisches Gesetz verstossen, scheint niemanden zu kümmern.

Wie kann ein Konzern, der sich derart um seine gesellschaftliche Verantwortung foutiert, in die Pflicht genommen werden? Licht auf solche Praktiken zu werfen, ist ein erster Schritt – um die Dringlichkeit aufzuzeigen, dass auch die Politik aktiv werden muss. Denn der Gefahr, dass die Errungenschaften punkto Arbeitsrechte oder Sicherheit, die in den letzten Jahren dank hartnäckiger Arbeit erzielt worden sind, durch Konzerne wie Shein zunichtegemacht werden, kann nur mit verbindlichen Vorgaben zu Transparenz und Konzernverantwortung begegnet werden.

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