Vegetationsveränderungen und menschliche Einflüsse auf Rebun (NW Pazifik) während der letzten 6000 Jahre
Das Wissen über Klima- und Umweltschwankungen während der letzten 6000 Jahre ist für die Modellierung künftiger Klimaszenarien von besonderem Interesse. Anders als das frühe Holozän (11700–8200 Jahre vor heute), waren die letzten 6000 Jahre nicht durch die Auswirkungen des Gletscherrückgangs beeinflusst, sondern waren durch Umweltbedingungen gekennzeichnet, die mit den heutigen vergleichbar sind.
Daher stellen die Klimaschwankungen während dieses Zeitraums bessere Analoge für zukünftige Klimaveränderungen dar. Um räumlich-zeitliche Zusammenhänge der verschiedenen Teile des globalen Klimasystems besser zu verstehen, ist es nötig, Klimaaufzeichnungen aus allen Erdteilen zu gewinnen. Japan gehört nach wie vor zu den Regionen, aus denen nur wenige aussagekräftige Paläoklimadaten zur Verfügung stehen. Außerdem ist es ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen mehr darüber zu erfahren, wie vorgeschichtliche Gesellschaften mit Klimawandel umgegangen sind, respektive wie und ab wann der Mensch selbst seine Umwelt verändert hat.
Die Daten
Die Daten umfassen hochauflösende, robust datierte Pollen- und Sporenaufzeichnungen aus dem Kushu-See (Insel Rebun, nördliches Japanisches Meer, Region Hokkaido) und Aufzeichnungen botanischer Reste (Samen, Wurzelknollen) aus Kulturschichten der nahegelegenen archäologischen Fundstätte Hamanaka 2.
Die Datensätze enthalten jeweils die absoluten Zählungen der vertretenen Taxa sowie die Maße und Gewichte der gefundenen Gerstensamen aus Hamanaka 2. Neben den fossilen Pollendaten sind auch Pollenspektra aus Oberflächenproben, die auf der Insel gesammelt wurden, veröffentlicht. Zusätzlich wird eine fotografische Dokumentation der am häufigsten vertretenen Pollentypen zur Verfügung gestellt.
Veröffentlichung des Datensatzes: Leipe C, Müller S et al (2018) https://doi.pangaea.de/10.1594/PANGAEA.890926
Forschungsergebnisse
In der Studie wurden fossile Pollen und Sporen aus Ablagerungen des Kushu-Sees untersucht. Die Pollen- und Sporenaufzeichnungen sind präzise datiert und erlauben einen ersten hochauflösenden Einblick in die Vegetations- und Klimaänderungen während der letzten 6000 Jahre in Nordjapan. Die Daten zeigen, dass der langfristige kontinuierliche Trend zu niedrigeren Jahresdurchschnittstemperaturen von kurzfristigen (dekadischen) Abkühlungsphasen überlagert wurde. Einerseits korrespondieren diese kurzzeitigen Temperaturschwankungen mit den aus anderen Teilen der Erde bekannten Klimaänderungen. Andererseits fallen diese Phasen teilweise mit Umbrüchen in der prä- und frühhistorischen Kulturabfolge Hokkaidos zusammen.
Neben den rekonstruierten klimatischen Veränderungen, werden auch Hinweise auf menschliche Aktivitäten auf der Insel Rebun diskutiert. Rückgänge in der Waldbedeckung und eine Öffnung der Landschaft, die in den Pollen- und Sporenaufzeichnungen sichtbar sind, sind Belege für Rodung. Eine der stärksten Rodungsphasen (ca. 1500–1000 Jahre vor heute) fällt mit der Siedlungsperiode der Ochotsk-Kultur zusammen. Gemeinsam mit zooarchäologischen Befunden zeigen die archäobotanischen Daten, dass die grundsätzlich wildbeuterisch lebenden Ochotsk-Gemeinschaften, die wahrscheinlich um 1500 Jahren vor heute aus dem Amur-Gebiet nach Hokkaido eingewandert sind, ein breites Nahrungsspektrum besaßen und sogar Gerste anbauten. Möglicherweise hängt die Abholzung auch mit einem gestiegenen Flächenbedarf für den Getreideanbau zusammen.
Mit dem Beginn des Niedergangs der Ochotsker in Nordjapan konnte sich der Wald auf Rebun ab etwa 1200 Jahren vor heute wieder ausbreiten. Die Studie zeigt eindrucksvoll das komplexe Gefüge aus natürlichen Klimaänderungen und den Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, das seit jeher Landschaften und Mensch-Umwelt-Beziehungen geprägt haben.
Veröffentlichung des Fachzeitschriftenartikels: Leipe C, Müller S et al (2018) https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2018.06.011
Texte verändert nach: Leipe C, Müller S et al (2018) https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2018.06.011