Rituelle Praktiken und soziale Organisation der mittleren Yayoi-Kultur in Ostjapan
Kulturhistorische Studien profitieren heute stark von der fortschreitenden Entwicklung und Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden. Dazu gehören auch Untersuchungen des allmählichen Wandels der frühen Jäger, Fischer und Sammler hin zu Bauern und Viehzüchtern, der als einer der bedeutendsten Umbrüche der Menschheitsgeschichte gilt. Diese Transformation brachte einerseits soziale Ungleichheit und eine weniger nährstoffreiche, einseitigere Ernährungsweise mit sich. Andererseits ebnete diese Entwicklung auch den Weg für die Entstehung moderner Gesellschaften. In Japan vollzog sich dieser fundamentale Wandel in der Ernährungsweise während der Yayoi-Zeit (10./4. Jahrhundert v. Chr. - 250 n. Chr.), als die ersten Bauern vom ostasiatischen Kontinent einwanderten. Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass der Übergang von einer wildbeuterischen zu einer bäuerlichen Lebensweise ein erhebliches Bevölkerungswachstum und das Entstehen lokaler Häuptlingstümer sowie sozialer Hierarchien begünstigte. Umstritten bleibt jedoch, wann soziale Schichtung in der Zeit zwischen den ersten landwirtschaftlichen Aktivitäten und der frühen Staatenbildung ab 250 n. Chr. entstanden ist.
Die Daten
Die gewonnenen archäobotanischen Reste stammen aus den erhaltenen Ablagerungen von Herd- bzw. Feuerstellen, die in den ausgegrabenen Häuserresten der mittleren Yayoi-Zeit der archäologischen Fundstätte Maenakanashi (Kumagaya City, Saitama Präfektur, Ostjapan) gefunden wurden. Der Datensatz enthält Samen von Wild- und Kulturpflanzen. Letztere umfassen Reis, Kolbenhirse und Rispenhirse.
Außerdem enthalten die botanischen Proben auch Reisspreu (Hüllen von Reiskörnern). Das karbonisierte botanische Material wurde aus den Überresten von insgesamt zehn Herdstellen aus acht Grubenhäusern in den Grabungsabschnitten 2 und 3 mithilfe der Schwämmmethode extrahiert und unter Verwendung eines Stereomikroskops analysiert.
Die Daten sind nach Probe (Herdstelle) und identifizierte Pflanzen aufgeschlüsselt. Zusätzlich werden die Probengröße und die genaue Herkunft nach Abschnitt angegeben.
Veröffentlichung des Datensatzes: Leipe C, Endo E et al (2020) https://doi.org/10.1594/PANGAEA.912698
Forschungsergebnisse
Zusammen mit den archäologischen Daten aus der untersuchten Siedlungsstätte, wie Größe, Lage und Art der Gebäude und die Verteilung von Artefakten (z. B. Keramikgefäßreste), erlauben die botanischen Daten einen neuen Einblick in die gesellschaftliche Organisation der frühen bäuerlichen Gemeinschaften der Yayoi-Zeit im Untersuchungsgebiet. Die Ergebnisse zeigen, dass Reis und Hirse die wichtigsten Nahrungsquellen für die Bewohner der Siedlung waren. Allerdings weisen die Daten auch darauf hin, dass Reis, der aufwendiger als Hirse auf Nassfeldern angebaut wird und eine höhere Produktivität als Hirse aufweist, einen höheren Stellenwert hatte. Reis spielte eine wichtige Rolle bei rituellen Praktiken und bei der Verstärkung der sozialen Hierarchien an der untersuchten Siedlungsstätte. Das Getreide wurde für rituelle Festmahle verwendet, die im Zusammenhang mit Pfahlbauten stattfanden, die oft groß waren und einen räumlich getrennten zentralen Platz innerhalb einer Siedlung einnahmen. Die Studienergebnisse erhärten die Annahme, dass es sich bei diesen Pfahlbauten um Residenzen politischer und/oder religiöser Anführer handelte, die diese Rituale im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion und der Verehrung ihrer Ahnen leiteten. Letztendlich dienten diese rituellen Feste der Ermächtigung von lokalen Anführern sowie der Mobilisierung von Arbeitskraft für die landwirtschaftliche Produktion. Solche rituellen Praktiken wurden wahrscheinlich von den ersten Bauern, die vom ostasiatischen Festland eingewandert waren, nach Japan gebracht. Das bedeutet, dass eine soziale Schichtung bereits in der frühesten Phase der Entwicklung der bäuerlichen Lebensweise in Japan existiert hat.
Veröffentlichung des Fachzeitschriftenartikels: Leipe C, Kuramochi S. et al (2020) https://doi.org/10.1007/s12520-020-01098-y
Texte verändert nach: Leipe C, Kuramochi S. et al. (2020) https://doi.org/10.1007/s12520-020-01098-y