Alpine Naturgefahren im Klimawandel - Deutungsmuster und Handlungspraktiken vom 18. bis zum 21. Jahrhundert (ANiK)
Katastrophenforschungsstelle (KFS)
BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Förderkennzeichen: 01UV1004A
Kooperationspartner:
Freie Universität Berlin - Katastrophenforschungsstelle (KFS)
Technische Universität München - Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik
Georg-August-Universität Göttingen - Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Freie Universität Berlin - Institut für Ethnologie
Assoziierter Partner:
Eidgenössische Forschungsanstalt für Schnee, Wald und Landschaft (WSL), Forschungseinheit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Cluster 3: „Klima-Moralität – Lokales Wissen und die Transformation von Natur- deutungen durch zivilgesellschaftliche Akteure“
Projekthintergrund
Nach den jüngsten Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, auch Weltklimarat genannt) gilt der Alpenraum als eine besonders klimasensitive Region, in der sich der Klimawandel früher und bedeutend stärker als im globalen Mittel bemerkbar machen wird. Nicht nur die Ökologie, sondern auch die verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren im Alpenraum werden demnach in besonderer Weise durch die prognostizierten klimatischen Veränderungen betroffen sein.
Aus meteorologischer Sicht stellt der Klimawandel ein komplexes Phänomen dar, dessen lokale Auswirkungen mit einem hohen Maß wissenschaftlicher Ungewissheit und Unsicherheit verbunden und daher kaum zu prognostizieren sind. In den Alpen treffen aber auch vielfältige Nutzungsinteressen seitens einer Vielzahl gesellschaftlicher Akteure zusammen. Bereits heute beeinflussen klimabezogene Anpassungsmaßnahmen die politische Agenda, mit konkreten Auswirkungen auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Handlungsfelder und Sektoren.
Auch beeinflusst der Klimawandel als meteorologisches und gesellschaftliches Phänomen bereits heute unser Bild von der bislang als vom Menschen unbeeinflussbar geltenden Natur. Es verändert sich zugleich unsere Vorstellung davon, inwieweit menschliche Handlungen mit der Umwelt verwoben sind. Der Erfahrungsraum für die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Gesellschaft und ihrer Natur an unterschiedlichsten Orten und zu verschiedenen Zeiten weitet sich. Einst für nicht hinterfragbar gehaltene Ursache-Wirkungszusammenhänge erscheinen weniger klar und eindeutig, sondern zunehmend unscharf und mehrschichtig, was sowohl den Bereich der Alltagspraxis als auch den der Wissenschaften betrifft.
Gemeinhin wird Natur als von der Gesellschaft analytisch klar getrennter Seinsbereich gedacht: als „amoralische“ und „apolitische“, vorwiegend technisch-instrumentell zu gestaltende Ressource. Dieses Naturverständnis prägte das Denken und Handeln der Akteure im Gefahrenmanagement in den Alpen in den vergangenen drei Jahrhunderten. Unter zivilgesellschaftlichen Akteuren und nichtprofessionellen und professionellen Gefahrenmanagern wächst jedoch die Kritik an diesem Paradigma. Sie stellen infrage, ob die tradierten Deutungsmuster und Handlungspraktiken den Herausforderungen durch den Klimawandel angemessen sind und suchen nach Alternativen.
Projektziele
Der interdisziplinäre Verbund untersucht den Wandel von Deutungsmuster und Handlungspraktiken im Alpinen Naturgefahrenmanagement seit dem 18. Jahrhundert.
Das Ziel des Vorhabens ist es, die historische Bedingtheit der herrschenden Deutungsmuster und Handlungspraktiken zu verdeutlichen, gesellschaftliche Umweltverhältnisse auf Denk- und Handlungsblockaden zu prüfen und alternative Entwicklungspfade mit Blick auf die Herausforderungen durch den Klimawandel zu identifizieren.
Dazu wird gefragt,
- wie sich im Zuge des Klimawandels die Deutungen von Natur bzw. von Naturgefahren verändern und ob eine Repolitisierung und Remoralisierung des Naturverständnisses stattfindet,
- in welchen Bereichen ein beschleunigter Wandel der Deutungsmuster bzw. Handlungspraktiken stattfindet und in welchen Bereichen diese eher stabil sind,
- wie stark heutige Deutungsmuster durch historische Entwicklungen, philosophische Denktraditionen und mündlich überliefertes lokales Wissen bestimmt sind,
- welche Folgerungen aus dem Umbruch der Deutungsmuster zu Beginn der Neuzeit für die heutige Umbruchphase und den Umgang mit dem Klimawandel gezogen werden können,
- welche Akteure in welcher Art und Weise das Verständnis des Klimawandels auf lokaler Ebene prägen
- welche Akteure in welcher Art und Weise die Maßnahmen zur Anpassung an erwartete Folgen des Klimawandels beeinflussen und inwiefern diese Aushandlungsprozesse bspw. durch veränderte Beteiligungsverfahren besser gestaltet werden können.
Fallbeispielregionen
Um Wirkungen unterschiedlicher kultureller Prägungen, politischer Systeme und gesellschaftlicher Nutzung innerhalb des gleichen Naturraums berücksichtigen zu können, fokussiert die Untersuchung auf drei Fallbeispielregionen:
- Obere Iller, Deutschland
- Paznaun, Österreich
- Oberengadin, Schweiz
Teilprojekt: Naturdeutungen im Wandel / Koordination
Im Arbeitspaket 3 im Cluster 3 des Verbundes „Naturdeutungen im Wandel – Remoralisierung von Natur? Zivilgesellschaftliche Akteure als Mittler zwischen lokalem Wissen und professionellem Gefahrenmanagement“ untersucht die KFS, gestützt auf die Ansätze und Ergebnisse der Sicherheits- und Risikoforschung sowie der Forschung zur sozialen Vulnerabilität und Resilienz, die Frage, inwiefern zivilgesellschaftliche Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Handlungsfeldern als Mittler zwischen lokalem Wissen und Deutungsmustern der Bevölkerung einerseits und den professionellen Akteuren des Gefahrenmanagements andererseits agieren (können). Dabei wird von der These ausgegangen, dass zivilgesellschaftliche Akteure innerhalb der gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozesse Funktionen der Organisation, Integration und Kommunikation von Sichtweisen und Interessen wahrnehmen und so eine wichtige Vermittlerrolle zwischen der Bevölkerung und politischen oder professionellen Entscheidungsträgern und damit auch zum professionellen Gefahrenmanagement einnehmen.
Des Weiteren wird gefragt, inwieweit vor dem Hintergrund des Klimawandels eine „Remoralisierung“ der „Natur“ oder des Naturbegriffs im Hinblick auf Naturnutzung und Naturgefahrenmanagement stattfindet und ob sich diese empirisch nachweisen lässt.
Darüber hinaus entwirft die KFS im Rahmen des Arbeitspakets 4 im Cluster 3 des Verbundes ein theoretisches Rahmenkonzept für politische und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, das zu erklären hilft, unter welchen Bedingungen sich Deutungsmuster und Handlungspraktiken durchsetzen.
Weiterführende Informationen unter:
Download:
Programm der ANiK-Abschlusskonferenz