Katastrophenforschungsstelle zur Flüchtlingspolitik der EU
News vom 30.08.2015
Katastrophenforschungsstelle zur Flüchtlingspolitik der EU
Katastrophen sind für uns in Europa in der Regel Ereignisse, die anderswo stattfinden, meist im Zusammenhang mit Erdbeben, Stürmen oder Überflutungen. Verbreitet ist nach wie vor die Ansicht, dass Katastrophen schicksalhaft über Gesellschaften hereinbrechen. Dabei ist längst erwiesen, dass die allermeisten Opfer vermieden werden könnten. Katastrophen sind im 21. Jh. somit stets Kulturkatastrophen, sie werfen als solche ein Licht auf die moralisch-ethische Verfasstheit einer Kultur: Menschen sterben, weil Politik Prioritäten auf anderes, denn auf ihren Schutz legte.
Was sich derzeit an den Grenzen Europas abspielt, wirft derart ein besonderes Licht auf Europas moralisch-ethische Verfasstheit. Diffuse Ängste, die in hohem Maße mit politisch erzeugter sozialer Präkarisierung in den europäischen Gesellschaften korrelieren spiegeln sich in einer Migrationspolitik, der tagtäglich Menschen zum Opfer fallen und den Überlebenden das ohnehin unermessliche Leid vergrößert. Michel Foucault sagte einst: "Selbstverständlich verstehe ich unter Tötung nicht [nur] den direkten Mord, sondern auch alle Formen des indirekten Mordes: jemanden der Gefahr des Todes ausliefern, für bestimmte Leute das Todesrisiko oder ganz einfach den politischen Tod, die Vertreibung, Abschiebung usw. erhöhen"*. Längst befindet sich Europa im Zustand der Katastrophe, einer rein von Menschen gemachten Katastrophe. Nicht die Flucht, das Scheitern der Werte eines ganzen Kulturraums ist die eigentliche Katastrophe, die sich in erstickenden oder ertrinkenden Menschen manifestiert.
Die Katastrophenforschungsstelle sucht Doktorandinnen und Doktoranden oder Masterarbeiten, die sich diesem Themenkomplex widmen wollen. Die Gründe für die Migration, das Leid der Betroffenen und die Politik der europäischen EntscheidungsträgerInnen sollen darin im Mittelpunkt stehen, um Verantwortungszusammenhänge transparent zu machen. Besonders erwünscht sind Arbeiten von Menschen mit Migrationserfahrung.
Leider stehen für diese Arbeiten keine internen Mittel zur Verfügung. Die KFS unterstützt auf der Grundlage heraussragender Exposees dabei, Stipendien oder Spenden (z.B. über Crowd Funding) einzuwerben. Bitte wenden Sie sich bei Interesse mit einem aussagekräfigen Exposee (1-2 Seiten) an Prof. Dr. Martin Voss (martin.voss [AT] fu-berlin.de) oder das Sekretariat, Frau Beate Urbanietz (Beate.Urbanietz [AT] fu-berlin.de).
*Foucault, Michel (2001): In Verteidigung der Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt am Main S. 303