Arbeitsbereich I: Folgen des Klimawandels - vom Wissen zum Handeln
Der Klimawandel ist seit der sogenannten „Stern-Studie“, die die ökonomischen Folgen eines ungebremsten Klimawandels vorrechnete und dem Erscheinen des vierten Sachstandberichtes des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Jahr 2007 zu einem zentralen Thema internationaler und nationaler Politik geworden. In der Zwischenzeit hat sich der Klimadiskurs jedoch deutlich verschoben; zunehmend stehen nicht mehr nur die erwartbaren, sondern sich bereits manifestierende Folgen des Klimawandels im Fokus und damit die Frage, wie sich Gesellschaften an diese Klimawandelfolgen anpassen und damit verbundene Risiken minimieren können. Zugleich stärkt das Wissen um die Folgen die Bereitschaft zum Handeln - sowohl hinsichtlich der Mitigation als auch der Folgen. Dabei reicht das Spektrum der Folgen von extremen meteorologischen Ereignissen wie Starkniederschlägen oder Dürren über Konflikte um Ressourcenverknappungen und Furcht vor oder tatsächlicher massenhafter Migration bis zu eskalierendem internationalen Terrorismus und Staatenzusammenbrüchen. Der Klimawandel ist ein systemisches Risiko par excellence, seine Folgen verteilen sich räumlich und zeitlich hoch heterogen und überlagern, verschärfen oder entschärfen andere Risiken, zudem werden sie von unterschiedlichen Akteuren sehr unterschiedlich beobachtet und bewertet.
Quelle: Global Risks Perception Survey 2015
Die zunehmend manifest werdenden Folgen des Klimawandels integriert zu untersuchen wird zu einem der zentralen Forschungsthemen für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Mit ihrem systemisch-ganzheitlichen Ansatz untersucht die Katastrophenforschungsstelle in dem Arbeitsbereich Klimawandelfolgenforschung inter- und transdisziplinär sowie international, welche Folgen mit dem Klimawandel für unterschiedliche Akteure (heterogene Bevölkerung, Behörden und Organisationen, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik) einhergehen, wie sich diese manifestieren (ökonomisch, meteorologisch etc.), wie sie wahrgenommen und bewertet werden, welche Ressourcen Gesellschaften diesen Klimawandelfolgen entgegenzubringen haben und wo die Schwachstellen in der Schutzarchitektur einer Gesellschaft kurz-, mittel-, v.a. aber auch langfristig liegen. Die besondere Kompetenz der Katastrophenforschungsstelle liegt in der Integration partikularer Zugänge, denn Katastrophen resultieren aus dem Zusammenwirken unterschiedlichster Prozesse und gerade auch daraus, dass (insbesondere funktional ausdifferenzierte) Gesellschaften dazu neigen, diese Komplexität segmentiert zu beobachten, dabei aber Wechselwirkungsphänomene aus dem Blick zu verlieren.
Als sozialwissenschaftliche Forschungseinrichtung leistet die Katastrophenforschungsstelle einen genuinen Beitrag zur Klimawandelfolgenforschung, indem sie grundlegende Forschungsfragen nach der Bedeutung des Klimawandels mit Fragen nach dem Destruktivitätspotential der mit dem Klimawandel verbundenen physischen und sozialen Dynamiken verbindet (aus Beck, Böschen, Kropp und Voss 2015, 46):
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"Was bedeutet der anthropogene Klimawandel für die von ihm betroffenen Menschen?
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Wie nehmen sie Veränderungen von Witterungsmustern wahr und welche Handlungsrelevanzen leiten die unterschiedlichen Gruppen daraus ab?
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Über welche kulturellen, kognitiven und materiellen Ressourcen und Kapazitäten verfügen sie, um mit Veränderungen umzugehen?
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In welcher Weise wird die als Abweichung vom Gewohnten erlebte Problematik in bestehende Kulturen und Praxen eingebettet?
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Mit welchen Werten und Normen wird Klimawandel verbunden?
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Welche Forderungen leiten Menschen in unterschiedlichen Weltregionen daraus ab?
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Kommt es infolge von Extremereignissen oder bestimmten Politiken (wie dem EEG) zu Konflikten um die Redefinition und Reallokation von materiellen und symbolischen Ressourcen?
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Welcher Schaden ist für wen „Loss“ (im Sinne unwiederbringlicher materieller aber auch immaterieller Verluste) und was „Damage“, also kompensierbar?
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Werden in gesellschaftlichen Diskursen um den Klimawandel Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten neu definiert?
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Ob und in welcher Weise führt die Fokussierung auf den Klimawandel zur Vernachlässigung anderer sozialer, ökologischer und ökonomischer Probleme?
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Ob und in welcher Weise stellen sich Organisationen und Institutionen der Unsicherheit, der Diversität von Werten und Normen und den pluralisierenden Wissensansprüchen?
- Entstehen neue soziale Ungleichheiten bzw. werden alte Ungleichheiten verschärft (Beck 2010)? Bilden sich neue Machtkonstellationen oder werden alte restauriert?"