Auf der Suche nach den Baumaterialien der Erde
News vom 31.10.2022
Zwei internationale Forscherteams, darunter Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, haben unabhängig voneinander mit neuen, hoch präzisen Isotopenmessungen gezeigt, dass die Erde zumindest teilweise aus Material besteht, welches nicht durch bekannte Meteoritenzusammensetzungen erklärbar ist. Die Studien wurden in Nature bzw. Science veröffentlicht.
Die häufigste Gruppe von Meteoriten die auf die Erde fallen, die sogenannten Chondrite, repräsentieren verfestigten Staub aus dem frühen solaren Nebel. Deshalb wurde lange Zeit angenommen, dass Chondrite das plausibelste Baumaterial der erdähnlichen Planeten darstellen. Hinweise für eine komplexere Zusammensetzung der Baumaterialen der Erde kommen nun aus der Untersuchung der Häufigkeiten der Isotope des Selten-Erd-Elements Neodym in repräsentativen Gesteinen der Erde im Vergleich zu Daten von Meteoriten. Die Häufigkeiten der Neodym-Isotope Nd-142 und Nd-143 variieren in der Natur hauptsächlich, weil sie durch den Zerfall der radioaktiven Samarium-Isotope Sm-146, bzw. Sm-147 entstehen. Wegen der kurzen Halbwertszeit von Sm-146 hat Nd-142 nur in der Frühzeit der Erde zugenommen, aber sich seither nicht mehr verändert, weil alle Atome von Sm-146 zerfallen sind. Im Gegensatz dazu entsteht neues Nd-143 auch heute noch durch den langsamen Zerfall von Sm-147. Die unterschiedliche Zeitabhängigkeit des Wachstums von Nd-142 und Nd-143 ermöglicht es die Zeitskalen chemischer Prozesse beim Wachstum der Planeten einzuordnen. Weiterhin kann man mit dieser Methode das durchschnittliche Konzentrationsverhältnis von Samarium zu Neodym in der Erde ableiten und mit den Werten in Chondriten vergleichen.
Die neuen Resultate der beiden Forscherteams zeigen übereinstimmend einen kleinen, aber auflösbaren Überschuss von Nd-142 für die Erde im Vergleich zu Chondriten, der nur durch den radioaktiven Zerfall von Sm-146 und ein etwas höheres Konzentrationsverhältnis von Samarium zu Neodym in der Erde im Vergleich zu Chondriten erklärt werden kann. Soweit die Übereinstimmung der beiden Studien. Wo beide Studien sich unterscheiden ist in der bevorzugten Erklärung der Ursache des chemischen Unterschieds zwischen Erde und Meteoriten, so Prof. Harry Becker vom Institut für Geologische Wissenschaften, einer der Autoren der Studie in Nature. In der Nature-Studie argumentieren die Autoren, dass die Baumaterialien der Erde teilweise in anderen Zonen des solaren Nebels gebildet wurden als die Chondrite, was auch von einigen astrophysikalischen Modellen postuliert wird. Dabei kann es zu geringfügigen chemischen Variationen in den Häufigkeiten von Samarium und Neodym in aus Gas kondensiertem Staub kommen, da sich der Anteil bestimmter Minerale im Staub je nach Temperatur und Zusammensetzung des Gases ändert, wie Prof. Alan Brandon von der University of Houston und ebenfalls Autor der Studie erklärt. Im Gegensatz dazu argumentieren die Autoren der Studie in Science, dass das höhere Verhältnis von Samarium zu Neodym in der Erde das Resultat des Verlusts eines Teils der Kruste von kleinen Vorläuferkörpern der Erde darstellt. Da die Erde durch die Kollision solcher kleineren Körper wuchs, ist es denkbar, dass dabei frühe Kruste dieser Vorläuferkörper abgesprengt und verloren wurde, was ebenfalls die beobachten chemischen Effekte in der Erde hervorrufen kann. Weitere Studien müssen zeigen welche Interpretation wahrscheinlicher ist, oder ob beide Prozesse für die besondere chemische Zusammensetzung der Erde verantwortlich sind.
Kontakt:
Prof. Dr. Harry Becker, Institut für Geologische Wissenschaften, Freie Universität Berlin, E-Mail: hbecker@zedat.fu-berlin.de, Tel. +49 30 83870668
Prof. Dr. Alan D. Brandon, University of Houston, now at New Mexico State University, E-Mail: abrandon@central.uh.edu
Publikationen:
Johnston, S., Brandon, A., McLeod, C., Rankenburg, K., Becker, H., Copeland, P. (2022): Nd isotope variation between the Earth-Moon system and enstatite chondrites. Nature, https://doi.org/10.1038/s41586-022-05265-0
Frossard, P., Israel, C., Bouvier, A., Boyet, M. (2022): Earth’s composition was modified by collisional erosion. Science, 377, 1527-1532. DOI: 10.1126/science.abq735