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Das Rätsel von Lesotho

Das Rätsel von Lesotho

Das Rätsel von Lesotho

News vom 28.04.2022

Forschende wollen nachweisen, dass das Hochplateau von Lesotho selbst in der letzten Eiszeit bis vor etwa 12000 Jahren nicht vergletschert war

04.05.2022

Der etwa 3500 Meter hohe Drakensberg – Drachenberg – besteht aus überwiegend basaltischen Gesteinen. Dort untersucht das Forschungsteam fossile Überreste von Fischen und Schnecken – was zu neuen Erkenntnissen über die letzte Eiszeit führt.

Der etwa 3500 Meter hohe Drakensberg – Drachenberg – besteht aus überwiegend basaltischen Gesteinen. Dort untersucht das Forschungsteam fossile Überreste von Fischen und Schnecken – was zu neuen Erkenntnissen über die letzte Eiszeit führt.
Bildquelle: Jana Frenzel

Sanft gleitet die Drohne über eine Felskante, die Pilotin Venise Gummersbach auf Spuren eiszeitlicher Vergletscherung untersuchen will. Da ertönt plötzlich ein Warnschrei: „Adler!“, ruft Co-Pilotin Jana Frenzel. Im letzten Moment kann Venise Gummersbach das Gerät herumreißen und dem Greifvogel ausweichen, der von unten nach oben schießt, um sein Nest zu verteidigen. Angriffe von Vögeln wie Adlern oder Schwalben waren die größte Gefahr für die Forschungsdrohne von Doktorandin Venise Gummersbach in dem noch kaum erforschten Hochland von Lesotho, einem Binnenstaat, umgeben von der Republik Südafrika.

Gemeinsam mit Masterstudentin Jana Frenzel und einem Team um den Paläontologen Frank Riedel und den Geografen Kai Hartmann von der Freien Universität Berlin will sie nachweisen, dass das bis knapp 3500 Meter hohe Plateau von Lesotho selbst in der letzten Eiszeit bis vor etwa 12000 Jahren nicht vergletschert war. Und dass der Grund dafür nicht Wassermangel war, wie von einigen Forschenden angenommen, sondern schlicht zu hohe Temperaturen.

Erosionsgefahr.Weil an den Hochgebirgshängen immer mehr Tiere grasen und die Wiesen zertrampeln, fließt Wasser schneller ab und der Speicher entleert sich.

Bildquelle: Kai Hartmann

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Region aus?

Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Forschungskommission der Freien Universität Berlin geförderte Arbeit des Teams, zu dem auch der Isotopen-Paläontologe Ulrich Struck vom „Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung“ und der Zoologe und Biogeograf Christian Albrecht von der Universität Gießen gehören, könnte auch relevant sein für die Einschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserversorgung im südlichen Afrika.

Das Hochland von Lesotho ist ein natürlicher Wasserturm, der wahrscheinlich seit Jahrmillionen das südliche Afrika mit Wasser versorgt. Es ist Quellort des größten Flusses der Region, des Senqus oder Orange, der heute viele Millionen Menschen mit Wasser unter anderem für die Landwirtschaft versorgt.

Für sie wäre es eine schlechte Nachricht, wenn das Hochland von Lesotho in der Vergangenheit zu trocken für Flüsse gewesen wäre. Denn einmal Geschehenes könnte sich wiederholen – ein Alarmsignal mit Blick auf mögliche Folgen künftigen Klimawandels in der Region.

Das Team aber folgt weder der Hypothese vom Wassermangel noch jener von der Vergletscherung: Frank Riedel, Venise Gummersbach und die anderen Projektbeteiligten wollen nachweisen, dass während der letzten Eiszeit im vermeintlich trockenen Hochland von Lesotho Flüsse entsprangen. Die fossilen Überreste von Fischen sollen belegen: Selbst in der letzten Eiszeit war es im Hochland zu warm für Gletscher. Vermeintliche Überreste der Gletscher sind, wie Drohnenaufnahmen von Venise Gummersbach zeigen, anderen Ursprungs.

Und noch ein Coup ist dem Team gelungen: Projektpartner Christian Albrecht wies nach, dass in den Flüssen schon seit Jahrhunderttausenden Schnecken siedeln. Ein Hinweis, dass das Hochland von Lesotho mindestens seit dieser Zeit Wasser spendet – eine vorsichtige Entwarnung für die vom Klimawandel geprägte Zukunft?

Ein zunehmedes Problem: die Weidewirtschaft

Venise Gummersbach zeigt sich beim aktuellen Forschungsstand vorsichtig, verweist auf neue Gefahren für den Wasserspeicher von Lesotho, die das Team vor Ort ausgemacht hat. Die wohl größte: zunehmende Viehhaltung. Immer mehr Rinder und Schafe fressen und zertrampeln das Grün der Feuchtgebiete und Hochgebirgshänge, dadurch droht Erosion. Das Wasser könnte dann schneller abfließen, der natürliche Speicher sich leeren; zudem würden tierische Exkremente ungefiltert durch Pflanzen ins Grundwasser gelangen.

Bei allem Wissen um die Probleme der Weidewirtschaft: Die Hirten des Hochgebirges nimmt das Forschungsteam nicht als Problem wahr – im Gegenteil. Die Begegnungen mit den Einheimischen waren herzlich: „Oft gesellten sich Hirten zu uns, teilten mit uns Aprikosen oder nahmen Äpfel von uns an“, sagt Venise Gummersbach. Die Hirten hätten sich dankbar für die kulinarische Abwechselung im kargen Hochgebirge gezeigt – und seien besonders interessiert an der Drohne gewesen. Die Doktorandin demonstrierte, was die Drohne macht, ließ das Gerät aufsteigen und die Hirten das Geschehen am Kontrollbildschirm verfolgen. „Manchmal drängten sich so viele Menschen um den Bildschirm, dass ich die Drohne kaum noch steuern konnte“, erinnert sich die Wissenschaftlerin. 

Dank Drohne alles im Blick. Masterstudentin Jana Frenzel (l.) und Doktorandin Venise Gummersbach gehören zum Forschungsteam um den Paläontologen Frank Riedel und den Geografen Kai Hartmann.
Bildquelle: Kai Hartmann

Finanziert wurde die Drohne durch Fördergelder, die an den Fachbereichen der Freien Universität speziell für Forscherinnen auch und gerade auf dem Weg zur Promotion und zur Professur bereitgestellt werden. Jana Frenzel und Venise Gummersbach haben die Chance genutzt.

Mit den Erkenntnissen aus Lesotho will das Berlin-Gießener Team bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Förderverlängerung bis 2025 beantragen. Venise Gummersbach, die derzeit ein Promotionsstipendium des Evangelischen Studienwerks Villigst erhält, könnte dann eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lesotho-Projekt erhalten, Masterstudentin Jana Frenzel eine Doktorarbeit beginnen.

Ein innovativer Ansatz, um die Klimageschichte einer Region nachzuzeichnen

Wissenschaft und Öffentlichkeit würden dadurch noch mehr erfahren über das Hochland von Lesotho, das derzeit noch kaum erforscht, aber so wichtig ist für die Wasserversorgung des gesamten südlichen Afrikas. Das Team mit Doktorandin Gummersbach und Masterstudentin Frenzel jedenfalls ist fest entschlossen, den Klimawandel einer Region nachzuzeichnen, die keine der üblicherweise von geowissenschaftlichen Fachleuten genutzten Ablesestellen aufweist: Stalagmite oder Seesedimente, die das Klima der Vergangenheit archiviert haben könnten.

Mit ihrem innovativen und interdisziplinären Ansatz samt Drohneneinsatz zeigen Venise Gummersbach und ihre Teamkolleginnen und -kollegen, dass sie Hindernissen ausweichen können – sogar einem Adler in Angriffslaune.

Von Jonas Krumbein

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