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Schnee­ver­wir­bel­tes Mars-Wun­der­land in Ul­ti­mi Sco­pu­li

Diese Bilder der High Resolution Stereo Camera (HRSC) zeigen eine spannende Landschaft mit geschichteten Ablagerungen, Frost, Eis und dunklen Dünen in der südlichen Polarregion des Mars. Die HRSC wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben.


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Ultimi Scopuli - Schnee­ver­wir­bel­tes Mars-Wun­der­land

Dieses erstaunliche Bild zeigt einen etwa 215 mal 65 Kilometer großen Landschaftsausschnitt, der 14 Grad nördlich des Südpols gelegen ist. Dort sind viele interessante Landformen zu sehen, die typisch für dauerhaft gefrorene, aber nicht von Eis bedeckte Regionen sind. Gemeinsam mit vom Wind geschaffenen, so genanntem äolischen Formen und saisonalen Frostwolken komplettieren sie die Kulisse.

Die Szenerie wirkt mit den stark kontrastierenden Farbschattierungen aus den Orangetönen des Marsbodens und dem Weiß von Wasser- und Kohlendioxideis sowie den geschwungenen Landschaftsformen sehr abstrakt und ist auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehen. Die Natur scheint sich auch auf dem Mars als expressionistische Künstlerin betätigt zu haben und dem HRSC-Wissenschaftsteam in der Routine beim Aufbereiten der farbigen Stereobilddaten zu Weihnachten und dem Jahreswechsel einen ästhetischen Moment zu schenken.

Die Bilddaten wurden im südlichen Frühling aufgenommen – in der Zeit, in der sich das Eis in Richtung Süden zurückzieht und im Sommer der Südhalbkugel nur eine kleine Eiskappe am Südpol verbleibt. Während des saisonalen Zyklus auf dem Mars wird im Winter Kohlendioxideis an den Polen abgelagert. Die Menge an atmosphärischen Gasen, die im Mars-Winter als Eis an jedem Pol gebunden ist und dann im Frühling verdampft, ist enorm und umfasst über zehn Prozent der Atmosphäre. Dieser Prozess führt zu starken Druckänderungen in der Gashülle des Mars und infolgedessen zu sehr hohen Windgeschwindigkeiten. Diese treten vor allem im Herbst auf und werden durch eben diesen unterschiedlichen Luftdruck in den Hemisphären hervorgerufen.

Blickfänger im Bild sind zwei große Einschlagkrater, die durch ein gestreiftes Band miteinander verbunden zu sein scheinen. Band und Krater weisen einen intensiven rötlich-braunen Farbton auf, der sich von dem Grau und Weiß der umgebenden Landschaft abhebt. Außerdem sind wechselnde Schichten in den Kraterrändern und dem Band zu erkennen – vor allem, wenn man in das Bild zoomt. Diese Schichten sind aufeinander folgende Lagen von Staub und Sand, die kontinuierlich und annähernd horizontal auf den Geländeformen abgelagert worden sind. Sie bestehen hauptsächlich aus Wassereis und zu ungefähr zehn Prozent aus feinen Sedimenten.

Die einzelnen Schichten unterscheiden sich in ihrer Albedo (dem Reflexionsvermögen von Sonnenlicht), ihrer Farbe und Mächtigkeit sowie in ihrem Verwitterungsgrad voneinander. Gebildet werden diese Ablagerungen durch Staub und Wassereis, die sich aus der Atmosphäre lösen und auf die Oberfläche sinken, sowie durch direkte Frostkondensation am Boden. Die orangefarbenen Regionen im Bild zeigen deutlich die geschichtete Natur dieser Ablagerungen.

Einige Regionen auf dem Bild erscheinen dunstig. Über der Szenerie haben sich Wolken gebildet, die insbesondere im Zentrum oberhalb des Bandes entdeckt werden können. Wolken in der südpolaren Region enthalten nicht nur Wassertröpfchen, die zu Eiskristallen gefroren sind, sondern angesichts der extrem tiefen Temperaturen von weit unter minus 100 Grad Celsius oft auch Nadeln aus Kohlendioxideis. Ihre Flugbahn beim Absinken auf den Boden wird teilweise von den Landschaftsformen an der Oberfläche beeinflusst. An einigen Stellen auf dem Bild sind ausgedehnte Verdampfungsstrukturen zu sehen, wodurch die Oberfläche eingeebnet scheint und dem Wasserspiegel irdischer Seen ähnelt.

An zahlreichen Stellen können dunkle Dünen und Dünenfelder identifiziert werden, die oft von einer dünnen Frostschicht bedeckt sind. Dort, wo sie durch den Wind zu dünnen Linien aufgereiht wurden, ähneln sie einer Formation von langgestreckten Felsrücken und Windgassen, die in die gleiche Richtung weisen (sogenannte Jardangs). An ihrer Ausrichtung kann man die vorherrschenden Windrichtungen ablesen, die lokal sehr unterschiedlich sein können und stark von den Geländeformationen beeinflusst werden.

Zur Herkunft des dunklen Materials auf dem Mars gibt es immer noch offene Fragen: Es wird angenommen, dass es aus alten vergrabenen Schichten vulkanischer Asche sowie aus verwitterter Lava stammt. Ablagerungen dieser Art finden sich in nahezu jeder Region auf dem Mars. Während sich die dunklen Dünen auf den unzähligen Kraterböden oft zu großen komplexen Dünenfeldern vereinigen, liegen die Dünen an Nord- und Südpol oft noch in ihrer Einzelform vor, so wie es hier an den unzähligen schwarzen Pünktchen zu erkennen ist. Vermutlich verhindert in den Polarregionen die Bedeckung mit Frost den ohnehin seltenen Materialtransport auf dem Mars und somit die Mobilität und „Vereinigung“ der Dünen.

Das hier vorgestellte Bild zeigt darüber hinaus auch einzelne, kleine dunkle Flecken, aus denen in verschiedene Richtungen schmale Linien, ähnlich Spinnenbeinen, hervorgehen. Diese könnten ein Hinweis auf einen anderen Verteilungsprozess von dunklem Material sein, der für die polaren Breiten auf dem Mars typisch ist: CO2-Jets, die sich durch Erwärmung von dunklem Material unter einer Eisdecke bilden und zu einem direkten Übergang des Eises vom festen in den gasförmigen Zustand führen, das dann in Fontänen, vermischt mit dunklem Sand, mit Hochdruck ausgeworfen wird. Die ständige Beobachtung dieser Phänomene hilft dabei, Prozesse zu verstehen, die das Erscheinungsbild der Oberfläche in den polaren Regionen auf dem Mars stetig verändern.

High Resolution Stereo Camera (HRSC)

» Informationen zur Herkunft und Verarbeitung der Bilder

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 19. Mai 2022 während Orbit 23219 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 18 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 185° östlicher Länge und 76° südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid).

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben. Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.

Um bereits veröffentlichte Rohbilder und DTMs der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.

Images: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Copyright Notice:

Where expressly stated, images are licenced under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 IGO (CC BY-SA 3.0 IGO) licence. The user is allowed to reproduce, distribute, adapt, translate and publicly perform it, without explicit permission, provided that the content is accompanied by an acknowledgement that the source is credited as 'ESA/DLR/FU Berlin', a direct link to the licence text is provided and that it is clearly indicated if changes were made to the original content. Adaptation / translation / derivatives must be distributed under the same licence terms as this publication.

Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.