Bilddaten, die von der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) an Bord der ESA-Mission Mars Express aufgenommen wurden, zeigen eine erstaunliche Vielfalt exotischer Landschaftsformen in der Südpolarregion des Mars. Die HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird.
Die saisonalen Polkappen des Mars bestehen hauptsächlich aus Kohlendioxideis (CO₂). Dieses Eis sublimiert teilweise im Frühling und setzt große Mengen Gas in die dünne Marsatmosphäre frei, während im Herbst das Kohlendioxid wieder kondensiert, wodurch die Polkappen wachsen und bis zum späten Winter bis auf 55 Grad Breite reichen. Diese Prozesse formen eine Oberfläche, die Marsforscher als kryptisches Terrain bezeichnet haben.
Auf der südlichen Hemisphäre des Mars ist Frühling. Die Region Australe Scopuli scheint kürzlich unter einer dicken Winterdecke aus Frost hervorgekommen zu sein. Die linke Seite des Bildes zeigt vorwiegend geschichtete Ablagerungen. Diese Schichten bestehen gewöhnlich aus einer Mischung von CO₂-Eis und Staub. Auf der rechten Seite des Bildes kommt ebenfalls die glatte Oberfläche der polaren Schichtablagerungen zum Vorschein. In der Mitte des Bildes überwiegen tiefer liegende Bereiche der Region in denen dunklere Töne dominieren. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die Oberfläche von einem Muster aus Polygonen unterschiedlicher Größen bedeckt ist.
Auf der Erde sind solche Polygone typisch für periglaziale Strukturen in arktischen und antarktischen Regionen. Sie deutenin der Regel auf das Vorhandensein von Wassereis im Boden hin. Der Begriff periglazial bezieht sich auf Regionen und Prozesse, bei denen kaltes Klima zur Entstehung von Landformen und Landschaften beiträgt. Polygone entstehen über Jahre oder sogar Jahrhunderte durch Gefrier- und Tauzyklen des Bodeneises. Die dadurch entstehenden polygonalen Risse füllen sich dann entweder mit Eis, Geröll, Sand oder bleiben offen. Auf dem Mars wird die Bildung dieser Polygone eher durch zyklische Temperaturschwankungen über längere Zeiträume verursacht, die sich entweder mit Sand füllten oder offenbleiben. Solche Landformen werden auch als „Frostmusterböden“ bezeichnet.
Fächerförmige Ablagerungen sind in vielen Bereichen des Bildes zu finden. Die Fächer sind in Richtung der vorherrschenden Winde ausgerichtet. Die Länge der Fächer reicht von einigen Metern bis zu mehreren hundert Metern. Im HRSC-Bild sind zwei Arten von Fächern zu erkennen: dunkle und helle Fächer. Die dunklen Ablagerungen bestehen aus dunklen, feinkörnigen Sanden und die hellen Fächer aus Kohlendioxid-Frost. Beide Typen entstehen aber durch den gleichen Prozess: die Ausgasung von in der Eisdecke enthaltenem Kohlendioxid-Gas in Form von Gas-Eruptionen, auch CO2-Jets genannt. Ihre Aktivität wird von der Sonneneinstrahlung bestimmt.
Wie auf den Bildern zu erkennen ist, bestehen die polaren Eiskörper des Mars immer aus Wechsellagerungen von Eis und dunklem Staub oder Sand. Wenn das Sonnenlicht im zeitigen Frühjahr durch die durchscheinende CO2-Eisschicht dringt und das darunter liegende dunkle Substrat erwärmt, wird die Sublimations-Temperatur des Eises schnell erreicht und es bilden sich Taschen mit unter Druck stehendem Gas. Schließlich reißt die Eisdecke, das Gas entweicht und bildet CO2-Jets. Das entweichende Gas reißt einen Teil des feinkörnigen dunklen Sandes wie in einer Fontäne mit und befördert es an die Oberfläche, wo es in Form von dunklen Fächern ablagert wird.
Nach dieser ersten Aktivitätsphase, in der sich dunkles Material auf der Eisoberfläche ablagert, setzt eine zweite Phase ein, in der die Eisschicht mit dem dunklen Material auf ihr interagiert. Wissenschaftliche Theorien besagen, dass die hellen Fächer entweder durch Re-Kondensation von Eis entstehen oder dass helle Fächer auch aus dunklen Fächern entstehen können. Wenn dunkle Sandkörner durch die Eisschicht sinken, absorbieren sie Sonnenlicht und erwärmen das Kohlendioxid-Eis, das sublimiert und ein Loch hinterlässt. Neues Kohlendioxid-Eis re-kondensiert auf den sinkenden dunklen Körnern. Dieser Prozess führt zu einem hellen Fächer an der Stelle der dunklen Sandkörnchen.
Eine andere Hypothese besagt, dass der wärmere dunkle Sand oder Staub an der Oberfläche einen Effekt im Eiskristall erzeugt, der die Transparenz des Eises stark verringert. Das führt zu einer starken Lichtreflexion des Fächers im Vergleich zum umgebenden Material, was ihn hell/weiß erscheinen lässt. Im Allgemeinen entwickeln sich die Fächer nur während des lokalen Mars-Frühlings, bis die komplette (durchsichtige) saisonale Eisschicht von der Oberfläche verdampft ist und die Fächer nicht mehr von der darunter liegenden Oberfläche zu unterscheiden sind.
Die Bilder wurden mit HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 2 April 2024 während Mars Express Orbits 25569 aufgenommen. Die Auflösung der Oberfläche beträgt circa 25 meters pro pixel und das Bild ist zentriert bei circa 265° Ost and 85° Süd. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid).
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben. Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
Um bereits veröffentlichte Rohbilder und DTMs der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.
Images: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO
Copyright Notice:
Where expressly stated, images are licenced under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 IGO (CC BY-SA 3.0 IGO) licence. The user is allowed to reproduce, distribute, adapt, translate and publicly perform it, without explicit permission, provided that the content is accompanied by an acknowledgement that the source is credited as 'ESA/DLR/FU Berlin', a direct link to the licence text is provided and that it is clearly indicated if changes were made to the original content. Adaptation / translation / derivatives must be distributed under the same licence terms as this publication.
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Daniela Tirsch besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.