Einblick in ein gigantisches Grabensystem
Während die tiefer gelegenen Ebenen eine glatte Oberfläche aufweisen, ist das Grabensystem zerklüftet und von Kratern bedeckt. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass von den Kopfenden der zwei von Nordost nach Südwest verlaufenden Tälern eine Schicht aus etwas dunklerem Material in die Ebenen „floss“ („lobate flows“ in beschriftetem Bild). Die daruf befindlichen Fließstrukturen zeigen an, dass es sich um Überreste von Blockgletschern oder schuttbedeckten Gletschern handelt. Diese sind von den langen Talflanken gerutscht, treffen sich im Talboden und überlappen sich dort. So einsteht ein typisches linienartiges Muster, dass diese Gletscherlandschaften belegt. Die Überlappungen zeigen zudem die Strömungsrichtung an. Die Pfeile im Bild unten zeigen auf die Überreste der ehemaligen Gletscherzungen.
Das andere Material der Ebene ist etwas heller gefärbt und weist mehr Einschlagskrater auf seiner Oberfläche auf. Hier ist das zähflüssige Fließmuster nicht zu beobachten. Forscherinnen und Forscher interpretieren diese Ablagerung als Lavaströme von Alba Patera, einem der großen Schildvulkane des Mars östlich von Acheron Fossae. Die Lava hat einen knapp 30 Kilometer großen Einschlagskrater in der Mitte des Bildes verfüllt und teils begraben, sodass nur noch die Hälfte des ehemaligem Kraterrandes zu sehen ist.
Ein weiteres interessantes Merkmal der HRSC-Aufnahme ist eine Gruppe von drei kegelförmigen Gipfeln, die mehrere Kilometer hoch sind. Diese Formationen könnten als kleine vulkanische Dome interpretiert werden, die durch riftbedingten Vulkanismus in dieser Region entstanden sind: Die vulkanische Aktivität könnte durch den lokalen Aufstieg kleinerer Magmakammern entlang von Schwächezonen im Untergrund angetrieben worden sein. Teilweise sind die Vulkankuppeln von Verwerfungen durchzogen, was auf tektonische Aktivität nach ihrer Entstehung hinweist.
Die Region Acheron Fossae ist nach dem etwa 800 Kilometer langen tektonischen Grabensystem benannt, das etwa 1200 Kilometer nördlich des riesigen Schildvulkans Olympus Mons liegt. Die Acheron-Fossae-Gräben grenzen im Süden an die sogenannte Olympus-Mons-Aureole, eine ausgedehnte, fächerförmige Struktur aus abgerutschten Gesteinsmassen des Olympus Mons. Die Landschaft erscheint in Form einer kopfstehenden Mondsichel auf der Marsoberfläche. Die HRSC-Aufnahme zeigt den östlichen Teil der Region, in dem der Rand des Grabensystems in tiefer gelegene Ebenen übergeht.
Acheron Fossae weist eine typische „Horst- und Graben“-Oberflächenstruktur auf, die durch Verformung der Kruste in der Noachischen Periode des Mars entstanden ist. Mehrere parallele tektonische Störungen haben für eine Abwärtsbewegung von Krustenblöcken auf beiden Seiten der Verwerfungen gesorgt. Diese gegensätzlichen Bewegungen deuten auf Dehnungskräfte in der Kruste hin, die während der geologisch aktiven Phase des Mars, also vor mehr als 3,7 Milliarden Jahren, wirkten. Im Laufe der geologischen Entwicklung füllten sich die Gräben mit unterschiedlichen Materialien, wie Ablagerungen von Gletschern und Vulkanen.