Marsmond Phobos: von Opposition und Heiligenschein
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Auf den ersten Blick mag diese Animation recht unspektakulär erscheinen. Man sieht den bis zu 26 Kilometer großen Körper aus verschiedenen Blickwinkeln, wobei der Mond dabei erst immer heller und dann wieder dunkler wird. Für Wissenschaftler sind solche Aufnahmen, die unter verschiedenen Phasenwinkeln (so nennt man den Winkel zwischen Sonne, Objekt und Beobachter, siehe Abbildung) aufgenommen werden, aber ganz besonders interessant. Denn durch den unterschiedlichen Schattenwurf und die bei unterschiedlichen Winkeln variierende Menge an reflektiertem Sonnenlicht können wertvolle Rückschlüsse auf die Materialbeschaffenheit, vor allem auf die Rauigkeit und Porosität der Oberfläche gezogen werden.
Von besonderem Interesse ist dabei eine Beobachtung bei einem Phasenwinkel von exakt null Grad, also wenn die Sonne genau im Rücken des Beobachters steht (Skizze B in der Abbiildung): Denn dann wird die Oberfläche vom Sonnenlicht genau senkrecht beschienen und alle Schatten verschwinden. Das führt zu einer erhöhten Flächenhelligkeit in der Bildmitte. Ist beispielsweise der Schatten des Beobachters auf der Aufnahme abgebildet, wird dadurch eine Art Heiligenschein um dessen Kopf im Zentrum der Aufnahme erzeugt. Da dieses Phänomen nur auftritt, wenn die Sonne als Lichtquelle genau im Gegenpunkt (Opposition) zum aufgenommenen Objekt steht, wird diese Erscheinung Oppositionseffekt genannt. Er kann bei Vollmond sogar von der Erde leicht beobachtet werden, weil dann nicht nur eine größere Fläche des Mondes beschienen wird, sondern Sonne, Erde und Mond sich ziemlich genau auf einer Linie befinden (also einander gegenüber = in Opposition) und auf der Mondoberfläche somit keine sichtbaren Schatten entstehen. Dadurch erscheint der Vollmond bis zu zehnmal heller als der Halbmond. Viele haben vielleicht auch schon beobachtet, dass man, wenn man aus dem Flugzeug auf den Boden schaut, einen hellen Schein oder Halo um den Schatten des Flugzeugs sieht. Weitere bekannte Beispiele sind Fotos von der Mondoberfläche, wenn die fotografierenden Apolloastronauten die Sonne genau im Rücken haben und im Gegensonnenpunkt, also um den Kopf ihres Schattens, ein Heiligenschein entsteht. All diese Erscheinungen sind auf den Oppositionseffekt zurückzuführen. Aussagen über die Beschaffenheit des Oberflächenmaterials lassen sich dann anhand der Stärke des auftretenden Effekts ableiten.
Die Ursache dafür liegt in dem Umstand begründet, dass bei schräg auftreffendem Sonnenlicht ein größerer Anteil des Lichts von Unebenheiten hin und her reflektiert wird, ehe das Licht dann mit einem kleinen Verlust an Helligkeit zurück ins All reflektiert oder in Hohlräumen teilweise „verschluckt“ und gar nicht mehr abgestrahlt wird. Bei Opposition hingegen wird der ganze, senkrecht auf die Oberfläche treffende Anteil des Lichts, der nicht vom Oberflächenmaterial absorbiert wird (bei heller Oberfläche ist der absorbierte Anteil geringer als bei einer dunklen) ins All zurückgestrahlt. Das führt zu einer deutlichen Aufhellung der Oberfläche und lässt teilweise Strukturen erkennen, die bei schräg auftreffendem Licht nicht zu sehen sind, wie beispielsweise strahlenartige Auswurfmuster an Einschlagskratern. Für die Wissenschaftler ermöglicht die Untersuchung des genauen Verlaufs des Reflexionsvermögens einer planetaren Oberfläche, ihrer Phasenkurve, Aussagen über die Materialeigenschaften zu treffen, beispielsweise den Verwitterungsgrad des Regolith genannten Staubes zu bestimmen, der durch Mikrometeoritenbeschuss über viele Millionen Jahre nachdunkelt.
Planetenoberflächen reflektieren das Sonnenlicht ganz unterschiedlich: Bei der Vollmondscheibe, die in einer klaren Nacht extrem hell erscheint, sind es tatsächlich nur 12 Prozent des Sonnenlichts. Wissenschaftler geben diesen Wert, die geometrische Albedo, als prozentualen Anteil des Sonnenlichts bei null Grad Phasenwinkel an. Die von der Sonne angestrahlte Mondscheibe steht in starkem Kontrast zum Schwarz des Weltalls. In Wirklichkeit erreicht uns auf der Erde über den „Spiegel“ der Mondscheibe nur ein Millionstel des Sonnenlichts, das die Erde direkt erreicht. Bei der Erde beträgt die durchschnittliche Albedo 36,7 Prozent, beim Mars sind es 15 Prozent und beim Marsmond Phobos sind es nur 7 Prozent, also noch nicht einmal halb so viel wie der Rote Planet. Über die Ursache hierfür zerbrechen sich Wissenschaftler seit Jahrzehnten den Kopf. Möglicherweise ist der Helligkeitsunterschied ein Indiz dafür, dass Phobos kein Trümmerteil eines gigantischen Einschlags auf den Mars ist, sondern es sich bei dem unförmigen Körper um einen von der Schwerkraft des Planeten eingefangenen Asteroiden handelt.
Da solche Lagekonstellationen zwischen Sonne, Mars Express und Phobos, bei der der Mond bei null Grad Phasenwinkel zu beobachten ist, sehr selten sind (Konstellationen mit Phasenwinkeln kleiner als ein Grad treten etwa drei mal im Jahr auf), nehmen die HRSC-Aufnahmeplaner jede Gelegenheit wahr, diese Aufnahmen zu machen – unabhängig davon, wie groß der Abstand zum Mond ist und auch bei Phasenwinkeln nahe (und nicht gleich) null Grad. Bei der hier gezeigten Aufnahme mit dem geringsten Phasenwinkel (das hellste Bild in der Mitte der Animation) liegt er bei 0,92 Grad. Die nächsten Gelegenheiten ergeben sich erst wieder im April und September 2020. Bei letzterem Termin ist sogar eine Beobachtung bei exakt 0,0 Grad in einem Abstand von 2900 Kilometern und einer Auflösung von 120 Metern pro Bildpunkt möglich.
Neben der Charakterisierung der Oberfläche und der Erforschung ihrer Herkunft, dienen die Aufnahmen der Marsmonde auch zur genauen Bestimmung der Ephemeriden, ihrer Umlaufbahn um den Mars. Dafür werden vor allem Aufnahmen genutzt, auf denen einer der Monde zusammen mit einem anderen Objekt, etwa einem Stern oder einem anderen Planeten, abgebildet ist. Die genaue Position dieser Körper ist nicht zuletzt für Raumfahrtmissionen unabdingbar, die die Monde zum Ziel haben. Derzeit ist eine japanische Mission (MMX – Martian Moons eXploration) in Planung, die die Monde nicht nur beobachten, sondern sogar Proben von einem von ihnen zurück zur Erde transportieren soll. Dazu soll ein vom DLR und der französischen Raumfahrtagentur CNES gemeinsam entwickelter Rover auf einem der Monde landen und die Oberfläche in Vorbereitung für die spätere Probennahme genau charakterisieren. Durchgeführt wird die Mission von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA, die den Start derzeit für 2024 plant. Zur Missionsvorbereitung sind die mit der HRSC und SRC gewonnenen Erkenntnisse über die Monde unabdingbar.
Als Phasenwinkel (φ) bezeichnet man den Winkel zwischen Lichtquelle (hier die Sonne) und Beobachter (hier die Kamera HRSC auf Mars Express) vom betrachteten Objekt (hier der Marsmond Phobos) aus gesehen. Diese schematische Darstellung verdeutlicht die Änderung dieses Winkels im Laufe der Animation durch die Bewegung des Beobachters. In der gezeigten Animation ändert sich der Phasenwinkel der einzelnen Phobos-Beobachtungen von anfangs 17 Grad (A) über annähernd null Grad (B) bis hin zu 15 Grad am Ende der Animation (C).
Bildquelle: DLR