Ismenia Patera – Einschlagkrater oder Supervulkan?
Bilder die am Neujahrstag 2018 von der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express aufgenommen wurden, zeigen die kollabierte Senke Ismenia Patera. Dazu gibt es zwei Interpretationen: entweder es handelt sich dabei um einen Einschlagkrater oder um die Caldera eines Supervulkans auf dem Mars. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten die hier gezeigten Bildprodukte. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.
Ismenia Patera Perspektive
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Ismenia Patera (Latein: patera – flache Schale) befindet sich in der Region Arabia Terra, am Übergang vom nördlichen Tiefland zum südlichen Hochland auf dem Mars. Im Inneren des 75 Kilometer breiten Kraters sind Hügel und Gesteinsblöcke ringförmig um das Zentrum angeordnet. Bei näherer Betrachtung kann man am Rand von Ismenia Patera an einigen Stellen in den Krater hinein verlaufende kleine Rinnen ausmachen. Der Boden des Kraters ist bedeckt von Ablagerungen, deren Oberflächen Spuren von ehemals "fließendem" Eis zeigen. Wahrscheinlich wurden diese Muster durch Blockgletscher erzeugt. Das sind Eisströme, auf deren Oberfläche viel Schutt und Geröll transportiert wird. Auf der Erde gibt es in alpinen und polaren Regionen vergleichbare Phänomene: Das Eis eines Gletschers ist dabei vollständig von Geröll bedeckt, das von den umliegenden Berghängen auf das Eis gerutscht ist. Diese Eis-Geröllmasse bewegt sich langsam hangabwärts und hinterlässt diese Fließstrukturen.
Auffällige Gruppen kleiner Einschlagskrater, zum Beispiel im Zentrum von Ismenia Patera, wurden vermutlich durch einen Meteoriteneinschlag in der näheren Umgebung verursacht, der größere Gesteinsbrocken in Richtung des Kraterzentrums schleuderte, die wieder kleine Krater erzeugten.
Ismenia Patera Farbaufsicht
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Zur Entstehung des Kraters gibt es unterschiedliche Ansichten: nach einer Hypothese wurde er durch einen Meteoriteneinschlag gebildet und später mit Ablagerungen und Eis gefüllt. Schließlich kollabierte die Krateroberfläche unter dem Einfluss von fließendem und verdampfendem Wasser, und hinterließ eine zerklüftete, hügelige Landschaft. Eine andere Hypothese vermutet, dass Ismenia Patera eine vulkanische Caldera (Spanisch: caldera – Kessel) ist, ein Vulkankrater, der nach einem großen Ausbruch über einer entleerten Magmakammer entstand. Vulkane, die mit einem einzigen Ausbruch eine riesige Menge von Material fördern, werden als Supervulkane bezeichnet. Abgesehen von Ismenia Patera gibt es in Arabia Terra mit Siloe Patera und Eden Patera zwei weitere Kandidaten für Supervulkane. Auf der Erde gelten vulkanische Strukturen wie die Phlegräischen Felder bei Neapel, das Yellowstone-Gebiet oder der Taupo-See in Neuseeland als Supervulkane - mit durchaus großem Gefahrenpotenzial. Auf dem Mars hingegen ist heutzutage nicht mehr mit Vulkanausbrüchen zu rechnen.
Ismenia Patera Farbkodiertes Höhenmodell
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Unter Marswissenschaftlern wird die Theorie der Supervulkane und der Existenz einer alten Vulkanprovinz in Arabia Terra noch kontrovers diskutiert. Für die Vulkankratertheorie spricht, dass die "Paterae" unregelmäßig geformte Kollapsstrukturen mit niedrigem Relief sind, zum Teil ohne erkennbares Auswurfmaterial und ohne hochstehenden Kraterrand, wie es für Einschlagskrater typisch wäre. Andererseits kann solch eine unregelmäßige Form auch durch sich überlagernde oder anderweitig veränderte Einschlagskrater entstehen. Zukünftige Messmethoden zur Untersuchung des Marsuntergrunds, um beispielsweise Hinweise auf die Existenz von Magmakammern unterhalb der Paterae zu liefern, könnten hier aufschlussreich sein. Hierzu zählen seismische Experimente, wie sie die am 5. Mai startende Landesonde InSight der NASA mitführen wird, oder aber auch Radarexperimente aus der Umlaufbahn.
Ismenia Patera Anaglyphe
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Bildverarbeitung und das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 1. Januar 2018 während Orbit 17723 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt 17 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 2° östlicher Länge und 39° nördlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid).
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Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.